Jeder Internetausflug hinterlässt Spuren, mit denen sich Nutzer eindeutig identifizieren lassen. Denn bei der Einwahl wird dem Router eine weltweit einmalige Zahlenkombination zugeteilt, die IP-Adresse. So lässt sich selbst Wochen später herausfinden, wann und mit welcher IP-Adresse eine Internetseite besucht wurde. Dabei kann nicht nur jeder Seitenbetreiber leicht herausfinden, in welcher Region der Nutzer lebt und über welchen Internetanbieter er ins Netz geht. Auch Google, Facebook, NSA und Cyberkriminelle wollen wissen, wer was im Internet unternimmt.
Das Dumme ist: Fast alle machen es ihnen leicht. Viele besuchen sozusagen mit dem Personalausweis auf die Stirn getackert abenteuerliche Seiten, googlen nach schweren Krankheiten und erkundigen sich munter nach Krediten oder gar nach Seitensprüngen.
Wer wirklich keine Datenspuren im Netz hinterlassen will, muss seine IP-Adresse anonymisieren. Für Datensammler sieht es dann so aus, als käme ein deutscher Surfer zum Beispiel aus einer Kleinstadt in den USA. Und neben verbesserter Sicherheit hat das Surfen mit Tarnkappe weitere angenehme Nebeneffekte. Beispielsweise lässt sich das das Geoblocking umgehen. Videodienste oder Sportsender, die für deutsche Nutzer in einigen Ländern gesperrt sich, lassen sich so dennoch aufrufen. Doch nur die Wenigsten nutzen die Vorteile der Anonymität, denn es kursieren viele Missverständnisse rund um dieses Thema.
Irrtum 1: Meine IP-Adresse wird doch sowieso regelmäßig geändert
Was stimmt: Dynamische IP-Adressen kommen bei fast allen privaten Internet-Anschlüssen zum Einsatz. Theoretisch können sie sich also immer wieder ändern. Das geschieht spätestens, wenn sich der Router neu mit dem Internet verbindet. Im Gegensatz zu früher geschieht das aber immer seltener. Die ehemals übliche "Zwangstrennung", bei der der Provider einmal pro Tag die Verbindung kurz kappte, ist im Prinzip Geschichte. Sie kommt nur noch bei Analog- und ISDN-Anschlüssen zum Einsatz. Bei modernen DSL- und Kabelanschlüssen verzichten die meisten Provider darauf, da in diesem Fall auch der Telefonanschluss von der Trennung betroffen wäre.Das bedeutet, dass es in vielen Fällen nur noch bei einem Router-Neustart eine andere IP-Adresse gibt. Oder, wie im Fall der Deutschen Telekom, spätestens nach 180 Tagen. Die meisten Nutzer sind also in der Regel wochen- oder sogar monatelang anhand ihrer IP-Adresse eindeutig identifizierbar. Dazu kommt: Selbst dynamische Adressen schützen nicht vor Rückverfolgung. In Deutschland existieren rechtliche Möglichkeiten, um Anschlussinformationen vom Provider zu erlangen und so problemlos die Identität eines Internet-Nutzers zu ermitteln.
Irrtum 2: Ich brauche das nicht
Natürlich - nicht jeder muss oder will im Internet anonym sein. Wer zum Beispiel auch auf offener Straße seine Krankheiten herausposaunt, der Kreditbank freimütig über seine Spielleidenschaft berichtet oder auf jeder Party frisch von der Leber jedem seine sexuellen Neigungen auf die Nase bindet, kann getrost auch im Web auf Privatsphäre verzichten. Wer nicht zu dieser Gruppe gehört, sollte dagegen auf der Hut sein. Inzwischen lauert eine riesige Industrie auf im Web unbemerkt preisgegebene Surfprofile jedes Einzelnen. Diese wertet die Daten aus und verdichtet sie zu detaillierten Persönlichkeitsprofilen. Und jeder Besuch im Internet hinterlässt eine Menge Spuren. Durch die IP-Adresse erfahren Seitenbetreiber etwa den ungefähren Wohnort und die Internetbandbreite. Nur durch eine wirksame Kombination aus IP-Anonymisierung plus weiterer Schutzmaßnahmen behalten Nutzer die volle Hoheit über ihre Daten.Irrtum 3: Ich nutze Browser-Add-Ons wie Ghostery und Adblock. Das reicht als Schutz!
Tatsächlich blocken derartige Browser-Erweiterungen Tracker, Cookies und Social Media-Schaltflächen, die das Surfverhalten ausspionieren. Sie verbessern somit nicht nur die Privatsphäre, sondern verringern auch das Werbeaufkommen. Die Sache hat aber mehrere Haken. Die Blocker schützen nur den Browser, nicht aber den PC. Wirklich anonym surfen lässt sich so nicht. Außerdem sammeln die Browser-Erweiterungen selbst fleißig Daten und verkaufen sie an die Werbeindustrie.Irrtum 4: Anonymes Surfen ist lahm
Beim Einsatz des kostenlosen Tor-Netzwerks ist an dieser These zweifelsohne etwas dran. Schließlich müssen die Anfragen erst über mehrere Proxy-Server laufen, bis sie beim Empfänger landen. Das macht den Dienst zwar sicher, für tägliche Surfen aber nahezu unbrauchbar. Denn die Geschwindigkeit beim Seitenaufbau sowie beim Herunterladen und Abspielen von Videos leidet deutlich unter dem Anonymisierungsprozess.Deutlich flotter läuft es dagegen mit kommerziellen VPN-Diensten. Denn in diesem Fall müssen die Daten nur den Umweg über die Server-Infrastruktur des VPN-Anbieters nehmen. Wenn die genügende Bandbreite zur Verfügung steht, liegt die Geschwindigkeit nahe am Maximaltempo der Internetleitung.