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Ein Freistaat auf dem Weg zum Überwachungsstaat

Gesichtsscann nicht nur an der Grenze, sondern bis weit in das Hinterland: Weite Teile von Sachsen sollen ein vollautomatisches Massenerfassungssystem bekommen. Das soll der Sicherheit dienen, stellt Bürger aber unter Generalverdacht. Das mag in China gehen, in Deutschland weckt die anlasslose staatliche Überwachung berechtigte Ängste.

Noch nie war es leichter als heute, "Dank" der Digitalisierung eine vollautomatische Massenerfassung effizient und kostengünstig zu realisierten. So werden an den Grenzen zum Niederlande von unseren Nachbarbehörden bereits seit längerem Autokennzeichen erfasst: Automatisches Kennzeichenlesesystem, abgekürzt AKLS, heißt die Technologie, die auch in Deutschland eingesetzt werden soll. Staatliche Behörden jubeln angesichts solcher vollständigen Datenerfassungen. Bürgerrechtsbewegungen dagegen warnen davor, dass solche Massenüberwachung schließlich alle betrifft und der Staat zunächst einmal alle Bürger unter den Generalverdacht einer Straftat stellt.

Die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen für anlasslose Massenüberwachungen, seien es Autos oder Menschen, werden in Deutschland derzeit auf Bundes- und Länderebene geschaffen. Die Proteste gegen viele neue Polizeiaufgabengesetze wenden sich gegen solche pauschalen Instrumente der staatlichen Überwachung.

Nun kritisiert die Grundrechteorganisation Digitalcourage, gemeinsam mit ihren tschechischen Partnerorganisationen IURE sowie der polnischen Panoptykon Foundation heftig den Plan der sächsischen Regierung, im Grenzgebiet zwischen Sachsen, Tschechien und Polen eine automatische Gesichtserkennung einzuführen. Sie soll "präemptiv", wie es heißt, grenzüberschreitende Kriminalität verhindern.

Digitalcourage stört sich dabei an mehreren Punkten. Zum einen soll das geplante Gesichtserkennungssystem in einem Streifen von 30 Kilometern entlang der sächsischen Grenze entstehen, womit zwischen 30 bis zu 50 Prozent des Freistaats Sachsen überwacht würden. Die Landkreise Görlitz, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, der Erzgebirgskreis, weite Teile des Vogtlandkreises sowie des Landkreises Mittelsachsen lägen demnach fast vollständig in der intensiven Überwachsungszone.

Außerdem beobachtet Digitalcourage mit großer Sorge, dass Justiz und Polizei in Sachsen mit den geplanten Änderungen einen "präemptionsstaatlichen Charakter" erhalten sollen. Mit Videoüberwachung samt Datenverarbeitungsbefugnissen würde sich der Fokus von der polizeilichen Ermittlungsarbeit zur "Überwachungsarbeit" verschieben.

Millionen unbescholtener Bürger auf beiden Seiten der Grenzen würden so täglich präventiv gescannt und mit Datenbanken von gesuchten Straftätern automatisch abgeglichen. Der Staat tut so als gebe es einen Generalverdacht gegen alle seine Bürger. Die Folge: Ein tiefes Misstrauen zwischen Staat und Bürger entsteht, wie es im Osten Deutschlands vor dem Fall der Mauer so ähnlich schon einmal gewesen war – und es daher nicht noch einmal geben sollte, meinen die Rechtsaktivisten von Digitalcourage.

Was passieren kann, wenn digitale Gesichtserkennung erst einmal vollständig alle Menschen erfasst, lässt sich derzeit in China beobachten. Dort will der Staat flächendeckend Gesichtsscann einführen und damit nicht nur Straftäter aufspüren. Es soll ein Digital Scoring entstehen, ein Punktesystem also, bei dem Bürger für wohlgefälliges Verhalten Punkte erhalten, bei Kritik zum Beispiel an Behörden oder gar der Partei bestraft werden. Ähnlich wie in Deutschland beispielsweise die Schufa arbeitet, entsteht in China derzeit eine riesige, täglich wachsende Datenbank, in der jeder Bürger ein Scoring erhält, das über einen neuen Arbeitsplatz, eine neue Mietwohnung oder über einen Kreditantrag entscheidet. Unter einer ID können so Daten aus landesweiter Videoüberwachung und sämtliche Aktivitäten im Internet oder in den chinesischen Sozialen Medien zu jedem Bürger Chinas zusammengeführt, analysiert und bewertet werden. Wer keine ID besitzt, existiert praktisch nicht.

Bildquelle: Digitalcourage

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